Familien auf der Kinderintensivstation
Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe
Frau Eckerstorfer, Ihr Buch „IntensivLeben. Begleitbuch für Angehörige auf der Kinderintensivstation“ behandelt die vielfältigen Herausforderungen, denen Eltern auf einer Kinderintensivstation begegnen. Wie sind Sie dazu gekommen, über ein so schwieriges Thema zu schreiben?
Carmen Eckerstorfer: Weil ich in meiner Arbeit täglich damit konfrontiert bin. Ich bin seit fast 20 Jahren Kinderintensivkrankenschwester und zusätzlich begleite ich als psychosoziale Beraterin in freier Praxis Familien bei Krankheit und Tod eines Kindes. Außerdem habe ich als Witwe auch die Perspektive als Betroffene erlebt. Da es im deutschsprachigen Raum kaum Literatur zu diesem Thema gibt, die Eltern in solch einer belastenden Situation informiert und begleitet, möchte ich mit diesem Buch eine Lücke schließen.
Wie hilft dieses Buch, wenn ein Kind schwer erkrankt oder verletzt wird?
Carmen Eckerstorfer: Egal wie unterschiedlich die Schicksale der erkrankten oder verunfallten Kinder sind, eines ist immer gleich: Von einer Sekunde auf die andere werden die Familien aus ihrem vertrauten Alltag gerissen. Nichts ist mehr wie vorher. Und natürlich liegt in dieser Situation der Fokus auf der medizinischen Behandlung des Kindes. Wichtig ist aber auch, dass die Eltern in dieser Zeit Unterstützung erfahren. Und diese kommt, meiner Erfahrung nach, leider meistens zu kurz. Dieses Buch zeigt, wo und wie Angehörige Hilfe und Unterstützung bekommen können, wenn sie diese brauchen, und es macht auch auf Möglichkeiten zur Selbsthilfe aufmerksam.
Wie sieht diese Unterstützung genau aus?
Carmen Eckerstorfer: In diesem Buch können die betroffenen Eltern nachlesen, wie sie die Zeit auf einer PICU bestmöglich zubringen und auch verarbeiten können. Der Einblick in die vielen verschiedenen Perspektiven der Welt der PICU gibt ihnen ganz konkrete Hilfestellungen für die unterschiedlichsten Situationen. Fachliche Informationen zu medizinischen, ethischen und rechtlichen Themen, konkrete Handlungsanleitungen und Tipps für den Ausnahme-Alltag können Sicherheit vermitteln und so etwas mithelfen, Ängste und Belastungen zu reduzieren.
Wie ist das Buch aufgebaut?
Carmen Eckerstorfer: Das Buch verfolgt durch die Kombination von medizinischem Fachwissen, psychologischen Aspekten, Alltagsbewältigung und authentischen Geschichten über bedeutungsvolle Momente auf der PICU einen ganzheitlichen Ansatz. Es zeigt in kurzen, einfach zu lesenden Kapiteln einen Überblick von der Aufnahme auf der PICU bis hin zur Entlassung. Je mehr man weiß, desto handlungsfähiger ist man – gerade in schwierigen Situationen.
Was ist das Ziel des Buches?
Carmen Eckerstorfer: Das Ziel ist, die Eltern und Angehörigen aus der Position der überforderten, überrumpelten und ausgelieferten Besucher*innen zu holen, sie handlungs- und entscheidungsfähig zu machen, damit sie gemeinsam mit dem behandelnden Team gute Entscheidungen treffen und aktiv an der Therapie und Genesung ihres Kindes teilnehmen können. Durch den Fokus auf Hoffnung, Resilienz und langfristige Unterstützung soll es nicht nur informieren, sondern auch emotional stärken und Vernetzung fördern.
Was macht so eine Ausnahmesituation mit den Eltern?
Carmen Eckerstorfer: Naturgemäß überwältigt diese Ausnahmesituation auf der PICU die meisten Eltern, sie fordert von der ganzen Familie maximale Anpassungsleistungen. Verwirrung, Unsicherheit, Stress und Panik können aufkommen, viele befinden sich in einem Schockzustand. Da sich in dieser kritischen Situation alles um das Kind dreht, werden die Bedürfnisse der Eltern nur unzureichend wahrgenommen. Und das kann kurz- und auch langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen, wie z. B. posttraumatischen Belastungsstörungen. Die Auswirkungen solcher Stresssituationen werden leider unterschätzt. Deshalb ist dem familienzentrierten und systemischen Ansatz entsprechend ein Augenmerk auch auf das Wohl der ganzen Familie gerichtet.
An wen konkret richtet sich dieses Buch?
Carmen Eckerstorfer: Dieses Buch richtet sich an Eltern, deren Kind aktuell auf einer PICU betreut wird, an Eltern, die bereits vor der Geburt wissen, dass ihr Kind erkrankt ist, an Eltern, deren Kind auf einer PICU betreut wurde und, last but not least, auch an mitbetroffene und mitleidende Angehörige.
Warum richtet sich das Buch auch an das Umfeld?
Carmen Eckerstorfer: Die Angehörigen sind schockiert und wissen nicht, wie sie helfen können, obwohl sie das gerne tun würden. Mit diesem Buch möchte ich ihnen einen Einblick geben in die Erlebenswelt der Betroffenen und in Situationen, für die diese keine Worte finden. Ich möchte vorstellbar machen, was sich jeder Vorstellung entzieht. So können sie besser verstehen, was die betroffenen Eltern und Kinder gerade erleben und welche Art von Unterstützung ihnen am meisten helfen könnte.
Könnten Sie uns ein paar konkrete Beispiele aus dem Buch geben?
Carmen Eckerstorfer: Ja, sehr gerne. Das Buch beinhaltet verständliche Erklärungen zu typischen Behandlungen und Abläufen auf der PICU. Ich gebe hilfreiche Checklisten an, wie z. B. mögliche Fragen und Themen für Besprechungen mit dem betreuenden Team, Ressourcen finden in der Ausnahme-Zeit auf der PICU, Sprechen mit dem kranken Kind über Krankheit und Tod, Vorbereitung auf zu Hause und viele andere. Es ist auch Platz für persönliche Notizen, Gedanken oder Fragen an das Team.
Ihr Buch in 3 Worten?
Carmen Eckerstorfer: Es ist eine einfühlsame, informative und praxisnahe Rundum-Begleitung auf der PICU.